Beitrag aktualisiert am 9. Dezember 2019 von Marco Eitelmann
Leider hört man immer noch viel zu oft, dass es sinnvoll wäre in ein breit diversifiziertes Portfolio langfristig auch Rohstoffe zu mischen. Selbst einige Mischfonds, Vermögensverwalter, Multi Asset ETF und Robo Advisor nutzen diese Möglichkeit. Ich rede hier nicht von Edelmetallen, sondern von Industriemetallen wie Aluminium, Kupfer oder Eisen, sowie „Energy-Commodities“ wie z.B. Öl (Brent Crude, WTI) und Gas.
In großen Rohstoffindizes finden sich dann auch noch Soft-Commodities wieder, wahlweise wird sogar direkt in einen reinen Soft Commodities Index investiert. Darunter versteht man landwirtschaftliche Rohstoffe wie die Grundnahrungsmittel Weizen, Mais, Reis und einige mehr. Das geht in bis zu „Livestock Rohstoffe“, wie mageren Schweinebäuchen und lebenden Rindern, die an der Börse gehandelt werden. Letztere Investitionen in Lebensmittel sind abgesehen von der moralischen und ethischen Komponente auch langfristig äußerst fragwürdig.
Macht es Sinn in einen Rohstoff ETF oder einen Rohstoff ETC zu investieren?
Ganz wichtig vorweg, Rohstoff ETF und ETC haben absolut nichts mit Aktien zu tun. Wer z.B. einen Goldminenindex oder einen Agrarindustrie-Index auf Aktienbasis kauft, der kauft definitiv nicht die Rohstoffe und kann somit auch nicht über Rohstoffe diversifizieren, da sich die Aktien nicht ansatzweise auf lange Sicht wie die Rohstoffpreise entwickeln und viel zu nah mit dem Aktienmarkt korrelieren.
Wer z.B. Gold Aktien kauft, der hat einen enormen Hebel, wenn der Goldpreis steigen sollte, selbst dann, wenn die Aktienmärkte fallen. Dies wäre im Grunde ja gut, doch diese Unternehmen sind auch sehr gut darin langfristig Geld zu verbrennen. Ein Goldbarren behält wesentlich stabiler seinen Wert. Eine Miene die insolvent geht oder eine Pleitewelle die durch den ganzen Sektor verläuft jedoch nicht. Das aber nur am Rande, es geht hier um echte Rohstoffe, nicht um Rohstoffaktien!
Zunächst einmal welche Rohstoff ETF bzw. ETC gibt es?
Man kann nahezu auf alle Rohstoffe ein entsprechendes Investment tätigen, sei es auf einen Rohstoff alleine, auf Rohstoffgruppen oder sogar auf alle Rohstoffe gleichzeitig, die ein gewisses Marktvolumen aufweisen. Grob unterteilt werden diese vier Gruppen:
- Industriemetalle: z.B. Kupfer, Eisen, Zink, Nickel, Aluminium, Blei, Zinn usw.
- Energieträger: z.B. Gas, Erdöl, Kohle, Uran usw.
- Nahrungsmittel/Agrargüter: z.B. Weizen, Mais, Reis, Orangensaftkonzentrat, Sojabohnen, Zucker, Kakao usw. darunter fallen auch weitere Soft Commodities wie Baumwolle, Lebend Rinder, Schweinebäuche, Sojaöl, Seide usw.
- Edelmetalle (Selbsterklärend)
Warum man langfristig mit Rohstoffen, außer mit Edelmetallen sehr wahrscheinlich erhebliche Verluste von deutlich mehr als 60-80 Prozent macht
Die Grafik oben zeigt sehr deutlich wie stark die tatsächlichen Preise an den Märkten und die real bezahlten Rohstoffpreise von den Entwicklungen der jeweiligen ETF und ETC, die sich darauf beziehen abweichen.
Trotz sehr hoher realer Gewinne und Preissteigerungen der Rohstoffe, notieren die ETF/ETC Kurse massiv unter diesen echten Werten. Wie kommt das zustande und was sagt dies über eine mögliche Investition in solche Rohstoff ETF/ETC langfristig aus?
Ich möchte die Erklärung so einfach wie möglich halten. Die Rohstoffe, außer die vier großen Edelmetalle (Gold, Silber, Platin und Palladium, sowie einige Nischen) notieren als sogenannte Future Kontrakte.
Es ist egal, ob es sich dabei um das Brent Crude, Kupfer, Weizen, Kakao oder das Orangesaftkonzentrat handelt, alle haben mehrere Future-Kurven. Es gibt immer einige dieser Future Strukturen gleichzeitig, die sich über etliche Monate bis Jahre in die Zukunft gerichtet erstrecken. Diese befinden sich wiederum zeitlich in verschiedenen Liefer- bzw. Enddaten, sie haben also ein Verfallsdatum.
Ein Future läuft immer nur für eine bestimmte Zeit. Man muss ihn entweder vor Verfall verkaufen oder sich – wenn man das wirklich möchte – den zugrundeliegenden Rohstoff liefern lassen. Jedes Mal, wenn der neue Future „gerollt“ wird, das heißt der alte Kontrakt wird verkauft und der neue Kontrakt gekauft damit man im Markt bleibt, entstehen Kosten.
Dazu kommen noch die beiden Besonderheiten des „Contango und Backwardation“. Diese Situationen wechseln über die Jahrzehnte bei den verschiedenen Rohstoffen marktbedingt immer mal wieder ab.
Während bei der Backwardation Situation ein positiver Rolleffekt für den Anleger herausspringt (Der nächste Future ist billiger als der aktuelle), werden bei Contango Situationen die neuen Futures teurer erkauft (weil deren Wert höher taxiert wird, als der aktuelle Wert zum Kassakurs)
Wenn man nun einen Rohstoff hat, der über Jahre hinweg im Contango notiert und gleichzeitig auch noch jedes „Rollen“ des Futures bezahlen muss und dazu noch die Kosten des ETF bzw. ETC hinzurechnet, die allerdings den kleinsten Part ausmachen, dann hat man mit solchen Rohstoff ETF und ETC Garantieverluste!
Das trifft aufgrund der Rollkosten selbst auf Rohstoffe zu, die einige Zeit in der Backwardation Situation notierten und dann ins Contango switchen. Rohstoff ETF sind Verlustgaranten auf lange Sicht, selbst dann, wenn der zugrundeliegende Rohstoffpreis stabil bleibt und sogar wenn er deutlich gestiegen ist. Sie sind maximal zur kurzfristigen Spekulation geeignet.
Selbst auf sehr lange Sicht machen 99 % der Rohstoff ETF und ETC Verluste, selbst dann, wenn die Rohstoffpreise über Jahrzehnte weiter steigen werden
Nehmen wir an, man hat einen Rohstoff „X“ und jedes Rollen dieses Rohstoffs in den nächsten Future z.B. alle drei Monate, würde „nur“ mit leichter Contango Situation je Rollvorgang ein Prozent kosten. Dann wären das im Jahr bereits vier Prozent Minus, in 10 Jahren 40 Prozent Minus (ohne jeden Zinsschritt einzeln neu zu addieren). Selbst wenn der Rohstoff in dieser Zeit im Kurs um 60 % steigt, werden die Roll- und Contangoeffekte diesen Gewinn mehr als vollständig übertreffen.
Deshalb Finger weg von Rohstoff ETF und ETC, außer auf Edelmetalle oder für kurze Spekulationen. Dies gilt sowohl für die Diversifikation, als auch für die Geldanalage auf längere Sicht!
Edelmetalle – Ein Sonderfall und langfristig tatsächlich eine sinnvolle Diversifikation im Portfolio, da keine Future Kontrakte?
Edelmetalle die ständig zum Kassakurs oder sogar einfach als realer Barren bzw. Münze oder sonstige physische Form handelbar sind, unterliegen nicht diesen Effekten. Man muss sie weder „rollen“ noch haben sie eine Backwardation oder Contango Situation aufzuweisen.
Bei Ausnahmerohstoffen wie z.B. Rhodium kann man inzwischen auch einen physischen Erwerb in Erwägung ziehen. Allerdings kostet Rhodium aktuell wegen seiner extremen Seltenheit und aufwändigen Produktion ein Vielfaches von Gold.
Fazit:
Wer langfristig mit Rohstoffen diversifizieren möchte, dem kann ich persönlich sowohl von Öl, Gas, Weizen, Kupfer und Aluminium sowie allen anderen Future-Rohstoffen nur abraten! Das ist keine Anlageempfehlung, nur meine persönliche Meinung, meiner Erfahrung mit derartigen Anlageklassen und eine für jeden nachvollziehbarer Logik, die hoffentlich auch nach diesem Beitrag rübergekommen ist. Es kann bei einer solchen Investition praktisch nur zu langfristigen Verlusten kommen.
Wer Rohstoffe zu Hause oder im Depot haben möchte, der kann auf die Klassiker Gold, Platin, Silber und Palladium setzen. Bei einem sehr großen Vermögen und einer entsprechenden Risiko Neigung kann man auch in geringem Maße Rhodium kaufen. Ich halte z.B. einen Goldanteil von 2,5-5 Prozent in einem langfristigen Portfolio für absolut sinnvoll.
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